Bild: Thomas_Eisenkraetzer/Copyright
Voraussetzung für Gedenken und Erinnern ist Wissen
Sehr geehrte Damen und Herren,

viele Menschen mit Handycap oder psychischen Erkrankungen waren zur Zeit des NS-Regimes in sogenannten Heil- und Pflegeanstalten untergebracht. Die Nationalsozialisten sahen deren Leben als „lebensunwert" an. Statt Schutz und Fürsorge zu erhalten, wurden sie ihrer Menschenwürde beraubt, systematisch zwangssterilisiert, deportiert und ermordet.

Dass die Patientinnen und Patienten dieser Einrichtungen zu den ersten Opfern des NS-Regimes gehörten, gerät oft in Vergessenheit. Der an ihnen begangene Massenmord bereitete den Weg zur millionenfachen Ermordung von Menschen, die dem willkürlich definierten Menschenbild des NS-Regimes nicht entsprochen haben.

Auch vor schleswig-holsteinischen Heilanstalten machte das unvorstellbare Unrecht keinen Halt. Bereits zum 80. Mal jährt sich in diesem Jahr die Deportation von mehr als 600 Menschen aus den Lübecker Heilanstalten. Menschen, deren Schicksale in der Tötungsmaschinerie der Nationalsozialisten viel zu lange in Vergessenheit zu geraten drohten und die nun wieder ihre Namen, ihre Würde und Gedenken bekommen.

Die grauenvollen Ereignisse während des NS-Regimes führen uns leidvoll vor Augen, was passiert, wenn Menschenfeindlichkeit zum Leitbild staatlichen Handels wird. Der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat stellt daher die Menschenwürde jedes Einzelnen ins Zentrum. Eine Errungenschaft, die seit dem Jahr 1949 als oberster Grundsatz in unserer Verfassung verankert ist.

Doch gerade in diesen Tagen, in denen Rechtspopulismus und Nationalismus eine so besorgniserregende Entwicklung nehmen, wird deutlich, dass einmal Errungenes nicht sicher ist. Politik und Zivilgesellschaft sind immer wieder neu gefordert, für Demokratie und gegen rassistische, antisemitische, homophobe und andere menschenfeindliche Ideologien einzutreten. Es ist unsere historische Verantwortung, dem Vergessen entgegenzuwirken.

Die Voraussetzung für Gedenken und Erinnern ist Wissen. Gerade für junge Menschen, die sich zunehmend fragen, was die Vergangenheit mit ihnen zu tun hat, ist es wichtig, vielfältige Zugänge zu schaffen, die zum Nachdenken anzuregen.

Ich freue mich daher, die Schirmherrschaft für dieses Projekt zu übernehmen.

 

Dr. Heiner Garg
Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie
und Senioren des Landes Schleswig-Holstein

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